Olympiaseminar Inside
Unsere Praktikantin Gabriella Moser berichtet von der DOA-Bildungsreise in Griechenland
Die DOA-Praktikantin Gabriella Moser. © DOA |
Als Praktikantin der Deutschen Olympischen Akademie (DOA) war Gabriella Moser bereits seit August in die Vorbereitungen des Olympiaseminars 2023 eingebunden. Vor Ort nahm sie aber nicht als Mitglied des Organisationsteams teil, sondern als Studentin der Universität Bayreuth. Hier berichtet sie von der siebentägigen Bildungsveranstaltung, die ihr neue Perspektiven und bleibende Eindrücke vermittelt hat.
Wissen, was kommt anstatt „Schauen wir mal, was wird“
Im Gegensatz zu anderen Studierenden wusste ich bereits genauer, was auf mich zukommen wird – schließlich hatte ich einige Insider-Infos im Vorfeld erhalten. Doch dadurch stiegen meine Vorfreude und auch meine Erwartungen umso mehr.
Bereits am Dienstag, dem ersten „Vorlesungstag“ an der IOA, durften wir vier Fachvorträgen folgen. Schnell zeigte sich, dass es „die eine richtige Meinung“ nicht gibt. Jeder Vortrag, der neue Blickwinkel und Perspektiven offenbarte, war von teils sehr konträren Haltungen der Expert*innen geprägt und unterstrich den Diskussionscharakter des Seminars.
Das Format war im Verlauf der letzten Jahre durch Prof. Dr. Holger Preuß, Schatzmeister der DOA, vollständig überarbeitet und neu konzeptioniert worden. So durfte sich jede Universität im Vorfeld auf zwei der insgesamt vier großen Diskussionsrunden vorbereiten, die sich aus Gruppenstreitgesprächen und Parlamentarischen Debatten zusammensetzten.
Regierung versus Opposition – fühlen sich so Bundestagsabgeordnete?
Am Mittwoch stellte uns Holger Kühner, Sportjournalist beim SWR, in seinem Vortrag über die Zukunft der Olympischen Spiele sein ganz persönliches Wertemodell vor, mit dem er die subjektive Betrachtung von Leitbildern veranschaulichte.
Die Olympischen Werte standen auch im Fokus der anschließenden Parlamentarischen Debatte. Jeweils drei Studierende einer Universität bildeten „Regierung“ und „Opposition“. Sie nahmen konträre und nicht miteinander vereinbare Positionen zu folgender Hypothese ein: „Die ständige Veränderung des Olympischen Programms vermittelt keine Olympischen Werte und begeistert auch die Jugend nicht“.
Gemeinsam mit zwei Kommilitonen habe ich die Opposition vertreten. Abwechselnd traten wir an das Pult und versuchten in einer siebenminütigen Rede, möglichst überzeugend unsere Haltung darzulegen, dass die Jugend derzeit nicht von der Olympischen Idee erreicht wird. Nach dem Schlussplädoyer wurde die gesamte Debatte per Online-Tool von allen Studierenden im Publikum bewertet. Die Jury, die durch eine dritte Hochschule gebildet wurde, sorgte für die Einhaltung der Regeln und gab die Sieger*innen der Debatte bekannt.
Über Geld spricht man nicht? Wir schon!
Am Donnerstag stand das Thema Finanzen im Vordergrund. Holger Preuß betonte in seinem Vortrag „Governance – Einnahmen und Kosten der Olympischen Bewegung“, dass die Spiele durch ihre Übertragungseffekte eine große Chance für die austragenden Länder und Städte bieten können.
Sechs Studierende verschiedener Universitäten diskutierten anschließend in einem Gruppenstreitgespräch die Frage: „Wie sollte das Geld der Olympischen Spiele verteilt werden?“ Sie vertraten dabei die Athlet*innen, Nationale Olympische Komitees (NOKs), Internationale Sportverbände (IFs), das Organisationskomitee (OK), das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Neben den Speakern auf der Bühne durfte nach der Eröffnungsrunde auch das Publikum Fragen, Meinungen und Argumente einbringen. So entwickelte sich ein intensiver Diskurs im Hörsaal, der zwar auf der Bühne zu keinem eindeutigen Urteil führte, aber dafür die Unzufriedenheit der einzelnen Stakeholder verdeutlichte. Damit dennoch ein handfestes Ergebnis erzielt werden konnte, wurden auch die Speaker des Streitgesprächs online bewertet, um die Gruppe mit der überzeugendsten Argumentation zu ermitteln.
Reise nach Olympia – gerechtfertigt?
Beide Diskussionsformate waren sehr herausfordernd. Sie boten eine Grundlage, um über sich hinauszuwachsen. Für mich bestand die Schwierigkeit darin, die Argumente, die ich überzeugend vertreten sollte, mit meiner persönlichen Meinung in Einklang zu bringen.
Dieser Gegensatz wurde auch am Freitag offensichtlich, als die Nachhaltigkeit von Sportereignissen diskutiert wurde. Persönlich habe ich mich bereits im Vorfeld gefragt, ob es gerechtfertigt ist, mit über 90 Menschen aus Deutschland nach Griechenland zu fliegen, um sich an der IOA u. a. über die ökologische Nachhaltigkeit der Spiele auszutauschen.
Vincent Wechner und Rio Grumbrecht von der Deutschen Sporthochschule Köln waren, wie ich, Teilnehmer des Deutschen Olympischen Jugendlagers und nahmen ebenfalls am diesjährigen Olympiaseminar teil. Während ich 2018 zu den Winterspielen in Pyeongchang reisen konnte, mussten ihre Jugendlager für Tokio 2020 und Peking 2022 aufgrund der Covid-Pandemie in Deutschland durchgeführt werden. Sie ziehen für uns einen Vergleich zwischen „Olympischem Programm zu Hause“ und „Olympischem Spirit vor Ort“.
Für Vincent ist ein geografischer Wechsel essenziell. Dadurch kann er seinem Alltag entfliehen und sich vollkommen auf das angebotene Programm konzentrieren. Der Besuch antiker Stätten ist für ihn nicht vergleichbar mit Erzählungen, Bildern und Videos. Ein Beispiel: Bevor wir am Samstag die Kultstätten von Delphi besuchten, wusste er bereits, dass diese an einem Hang erbaut wurden – ihre Dimension wurde ihm allerdings erst vor Ort deutlich.
„Es ist eine andere Stimmung, die aufkommt, wenn man ein fremdes Land und seine antiken Stadien bereist. Zwar müssen die ökologischen Aspekte berücksichtigt werden und es sollten – wenn möglich – nachhaltige Anreisemethoden bevorzugt werden. Auf die Reise verzichten sollten wir im Falle des Olympiaseminars aber nicht“, betont auch Rio. Er hofft, dass die Teilnehmenden tiefgründigen Input mit nach Hause nehmen und als Multiplikator*innen die Gesellschaft im Positiven beeinflussen.
In Olympia wurde mir bewusst: Wir können vieles nur an den Ursprüngen vor Ort verstehen. Die Olympische Bewegung ist keine nationale, sondern eine weltweite. Die Woche hat mich gelehrt, differenzierte Perspektiven einzuschätzen und neue Sichtweisen nachzuvollziehen, die teils stark von meinem persönlichen Urteil abweichen.