Gemeinsame Ideale
Das Biebricher Schlossgespräch verband die Olympische Bewegung mit der Demokratiestärkung
Gruppenfoto in der Rotunde des Biebricher Schlosses. © DOSB/picture-alliance/Arnold |
Hoher Besuch beim 10. Biebricher Schlossgespräch, das am 25. April 2024 in Wiesbaden von der Deutschen Olympischen Akademie (DOA) veranstaltet wurde und bei dem mehr 150 Gäste aus Sport, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft geladen waren: Neben Diana Stolz, Hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, war der Hessische Ministerpräsident a. D., Volker Bouffier, bei der Jubiläumsausgabe der Gesprächsreihe zu Gast. Auf einem Podium diskutierten zwei Athletinnen, ein Wissenschaftler und ein Journalist. Bei der Verleihung des Fair Play Preises 2023 wurde es emotional, obwohl beide Preisträger nicht zugegen waren.
Demokratiestärkung aus olympischer und paralympischer Perspektive
Unter diesem Motto hieß die DOA-Vorsitzende, Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, das Publikum willkommen und hob den hochaktuellen Schwerpunkt des Abends hervor: „Wir wollen der Frage nachgehen, ob und wie der olympische und paralympische Sport, ja der Sport insgesamt, zu einer Stärkung der Demokratie beitragen kann.“
Erste Antworten lieferte Diana Stolz. Hessens Sportministerin würdigte die Biebricher Schlossgespräche als wichtigen Impulsgeber für Fragen der Olympischen Erziehung und der Integrität des Sports. „Das Vermitteln von Werten und Haltung gehört zu den Wesensmerkmalen des Sports. Sport bringt Menschen zusammen und im Miteinander verschwinden Grenzen und Vorbehalte“, betonte sie. Stolz rief dazu auf, gemeinsam für dieses Miteinander, für Demokratie und ihre Werte einzustehen: „Im Sportverein, in der Familie, am Arbeitsplatz – wir können alle gemeinsam etwas dafür tun, dass wir mit Respekt handeln. Dass wir dem Fair Play den Rücken stärken.“
Es folgte ein Impulsvortrag von Volker Bouffier. Der Hessische Ministerpräsident a. D. stellte die gemeinsamen Ideale der Olympischen Bewegung und der Demokratie in den Fokus: „Alle können mitmachen, nach einheitlichen Regeln, die alle respektieren. Entscheidungen durch Mehrheit, aber Achtung der Rechte der Minderheit.“ Er betonte, dass es notwendig sei, weltweit für die Demokratie zu streiten: „Die Olympische Bewegung ist global, die Demokratie ist es, wenn wir auf die Länder dieser Welt blicken, nicht.“ Es benötige Organisationen und Personen, die sich der Demokratieförderung verschreiben. Daher, so Bouffier, erachte er „die Arbeit der Deutschen Olympischen Akademie nicht nur als sehr gut, sondern notwendig.“
Demokratie und gelebte Werte: Kann Paris das olympische und paralympische Versprechen einlösen?
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von ZDF-Sportredakteur Eike Schulz moderiert wurde, kamen viele Herausforderungen der Olympischen und Paralympischen Spiele zur Sprache. Dass neutrale Athlet*innen aus Russland und Belarus in Paris 2024 starten dürfen, sorgte für geteilte Meinungen: Miriam Welte, DOSB-Vizepräsidentin und Olympiasiegern im Bahnradsport, unterstützte den Entscheid des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Sie hob die jahrzehntelange Arbeit der Sportler*innen hervor – ihr Karrierehighlight würde durch geopolitische Konflikte gefährdet. Eine gegensätzliche Perspektive nahm Britta Wend ein, Rollstuhltennisspielerin vom Team D Paralympics. Sie sprach sich auch gegen einen Erhalt der Regel 50 der Olympischen Charta aus, da sie durch diese die politische Meinungsfreiheit beschränkt sieht. Welte hingegen zeigte sich besorgt, dass ohne Regel 50 die politischen Statements Überhand gewinnen könnten – und die Aufmerksamkeit für die Leistungen der Athlet*innen in den Hintergrund rücken.
Der Dualismus von Politik und (organisiertem) Sport stand im Fokus von Journalist Ronny Blaschke, der eine kritische Position auf dem Podium einnahm. Er rief u. a. in Erinnerung, dass die Ursprünge der Olympischen Bewegung nach Pierre de Coubertin auf einem eurozentristischen Wertesystem basierten.
Prof. Dr. Thomas Abel von der Deutschen Sporthochschule Köln brachte eine engere Verzahnung der Olympischen und Paralympischen Spiele ein. Beim Thema „Inklusion“ reiche es nicht aus, Sportanlagen für Rollstuhlfahrende umzubauen – dies sei nur ein Aspekt von Barrierefreiheit. Viel wichtiger sei es, den Dialog mit allen betroffenen Zielgruppen zu suchen: „Es geht darum, mit den Leuten partizipativ zu überlegen: Was brauchen wir?“
Fair Play Preis des Deutschen Sports 2023
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde der Fair Play Preis des Deutschen Sports 2023 durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) um Präsident Thomas Weikert und den Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) um Präsident André Keil verliehen. Prof. Dr. Manfred Lämmer, Vorsitzender der Jury, leitete zunächst in die Ehrung ein. Er betonte, dass der Deutsche Sport in der heutigen kritischen Situation eine flächendeckende Kampagne für Fair Play mit Unterstützung gesellschaftlicher Kräfte realisieren müsse – wie bereits unter Willi Daume, dem Namensgeber der DOA. „Nur derart können wir die Werte des Sports wieder zentraler im öffentlichen Bewusstsein verankern“, schlussfolgerte Lämmer.
In Abwesenheit der Preisträger Andreas Wolff (Kategorie „Sport“), der vor Ort von DHB-Sportvorstand Axel Kromer und Manager Kevin Gerwin vertreten wurde, und Johannes Floors (Kategorie „Sonderpreis“) kam ihren Laudatoren eine besondere Rolle zu.
Kai Wandschneider, der Andreas Wolf von 2013 bis 2016 bei der HSG Wetzlar trainiert hatte, blickte auf die Entwicklung des deutschen Handballnationaltorwarts: „Wenn vor einem Angreifer kein Torhüter mehr steht, sondern ein Nimbus – dann hast du als Schlussmann gewonnen.“ Er bleibe, bei welchen äußeren Einflüssen auch immer, bei sich und seinen Werten. „Das hat sein Fair Play bei der Handball-WM 2023 gegen Algerien und Norwegen wieder einmal bewiesen“, so Wandschneider.
Henrik Diekert, der für eine Dokumentation eng mit Johannes Floors zusammenarbeitet, gab Einblicke, wie der Para Athlet tickt. Eigentlich gebe es für den Weltrekordler im Wettkampf-Modus „nur ihn, die Bahn und die Zeit“. Bei der WM 2023 habe er aber bewiesen, dass er aus seinem Tunnel herauskann, und eine großartige Geste der Menschlichkeit und des Fair Play gezeigt – „um im wichtigsten Moment seiner Saison für einen Konkurrenten da zu sein.“
Beide Preisträger meldeten sich freudenstrahlend in Einspielern zu Wort, die im Vorfeld der Veranstaltung produziert worden waren. Andreas Wolff erzählte, dass die Trophäe einen Ehrenplatz im Wohnzimmer gefunden habe. Und Johannes Floors bedankte sich bei den Preisstiftern und der Jury „für diesen wunderschönen Preis und für die Möglichkeit, dass solche Aktionen nicht ungesehen bleiben.“
Anders als die beiden Preisträger war Badminton-Talent Aurelia Wulandoko, die in der Kategorie „Sport“ belobigt worden war, vor Ort. Die 16-Jährige stand auf der Bühne Rede und Antwort, erläuterte ihr Verständnis von Fair Play und ihre nächsten sportliche Ziele.
Bereits jetzt können Nominierungen für den Fair Play Preis des Deutschen Sports 2024 über dieses Formular eingereicht werden.