Die Olympische Idee und Werte als Herausforderung und Chance begreifen
8. Biebricher Schlossgespräch aus der Vogelperspektive © DOSB/May |
Das 8. Biebricher Schlossgespräch der Deutschen Olympischen Akademie (DOA) fand am 5. Mai in Wiesbaden statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung, die nach zweijähriger Corona-Pause wieder physisch mit rund 100 geladenen Gästen aus Sport, Politik, Wirtschaft und Medien durchgeführt wurde, standen in diesem Jahr die Herausforderungen und Perspektiven des olympischen und paralympischen Sports. Daneben wurde der Fair Play Preis des Deutschen Sports an den Präsidenten von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, verliehen sowie ein Sonderpreis an die olympische Turnerin, Sarah Voss.
Der Beginn der Veranstaltung war dem Nachruf und dem Gedenken des bisherigen Moderators und vormaligen ZDF-Sportchefs Dieter Gruschwitz vorbehalten, der im März im Alter von 68 Jahren unerwartet verstarb. Durch die Moderation führte Eike Schulz, der Gruschwitz über viele Jahre in der ZDF-Sportredaktion begleitete. Im Anschluss verwies die DOA-Vorsitzende Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper in ihrer Begrüßung auf das 15-jährige Bestehen der DOA und erinnerte an ihren Namensgeber Willi Daume. „Er war eine herausragende Führungspersönlichkeit im deutschen und internationalen Sport, dem es gelungen war, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Gern hätte ich seinen Sohn, Kay Daume, begrüßt, der aber heute leider nicht dabei sein kann“, so Doll-Tepper.
Erste wichtige Impulse des Abends lieferte DOSB-Präsident Thomas Weikert in seinem digitalen Vortrag. Dabei stellte er zunächst den Krieg in der Ukraine in den Mittelpunkt seiner Ausführungen und betonte die Solidarität des Sports mit der Ukraine sowie die Unterstützung der geflüchteten Menschen und Athlet*innen, die in Deutschland Schutz und neue Trainingsmöglichkeiten gefunden haben. Daneben bekräftigte Weikert die nationalen und internationalen Sanktionen gegen russische und belarussische Athlet*innen und Funktionär*innen.
Ein weiteres wichtiges Thema seiner Rede war die gesellschaftliche und internationale Bedeutung der Olympischen Spiele, auch für Deutschland. Waren die Spiele von München 1972 vor genau 50 Jahren in besonderer Weise von einer gesellschaftlichen Aufbruchstimmung und Nachhaltigkeit geprägt, so gälte es bei einer zukünftigen Bewerbung zusätzlich Themen wie Infrastruktur, Technologie, Klimawandel, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit in einen besonderen Fokus zu rücken. „Eines ist sicher“, so Weikert, „für Olympia müssten sich alle, muss sich alles bewegen und über sich hinauswachsen und an einem Strang ziehen. Die Olympische Bewegung ist im Aufbruch. Sie wartet ganz gewiss nicht auf Deutschland“.
In einer Expert*innenrunde wurden anschließend verschiedene Standpunkte zu den aktuellen Herausforderungen und Perspektiven des olympischen und paralympischen Sports diskutiert. Hier bezogen die Athletenvertreterin und DOSB-Präsidiumsmitglied, Fabienne Königstein, Prof. Dr. Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln, Frank-Thomas Hartleb, Sportdirektor des Deutschen Behindertensportverbandes, und FAZ-Sportchef Anno Hecker deutlich Stellung. Einig war man sich insbesondere in einem Punkt: Die Vergabe der letzten internationalen Sportgroßereignisse sowie der Krieg in der Ukraine hätten gezeigt, dass die klassische Trennung von Sport und Politik kaum noch möglich sei.
Aus sportlicher Sicht zufrieden blickte Frank-Thomas Hartleb auf die Paralympics in Peking zurück: “Das Team D Paralympics war so erfolgreich und die Berichterstattung so umfangreich wie nie zuvor. Mit dem Krieg in der Ukraine hat man sich vor Ort intensiv auseinandergesetzt und dies auch an die Zuschauer*innen in Deutschland herangetragen”. Diskutiert wurde auch über die weltweit unterschiedlichen Wege der Sportförderung. Dabei übte Hartleb deutliche Kritik am deutschen System: „Ich bin der Auffassung, es ist nicht zu wenig Geld im Umlauf – es wird nur falsch eingesetzt“. Anno Hecker forderte am Ende der Diskussion mehr Bewegung in der Gesellschaft: „Wenn wir alle motivieren, Sport zu treiben, dann brauchen wir uns in Deutschland um mehr Medaillen keine Sorgen zu machen.“ Allerdings fehlt es dafür, so Marathonläuferin und Athletenvertreterin Fabienne Königstein, an ausgebildeten Trainer*innen, die unseren Kindern den Spaß am Sporttreiben und die Werte des Sports frühzeitig vermitteln.
Der Fair Play Preis des Deutschen Sports
Der Fair Play Preis des Deutschen Sports zeichnet in jedem Jahr herausragende Momente und Initiativen aus, die Fair Play vorleben. Der Preis wurde im Rahmen des 8. Biebricher Schlossgesprächs vergeben. Stifter sind der DOSB und der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS). Für das Jahr 2021 fiel die Wahl auf Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt, der sich seit vielen Jahren gesellschaftspolitisch einbringt.
Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Deutschland, unterstrich in seiner Laudatio das vorbildliche Engagement Fischers und dessen klare Positionierung gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus. Der Gedanke des Präsidenten, dass alle Menschen gleich sind, egal welcher religiösen und ethnischen Zugehörigkeit, werde von ihm bis in den Verein hineingetragen. Da Peter Fischer aufgrund des zeitgleich ausgetragenen Halbfinales der Europa League nicht anwesend sein konnte, wurde der Fair Play Preis des Deutschen Sports bereits am Vortag durch den Jury-Vorsitzenden Prof. Dr. Manfred Lämmer im Riederwaldstadion an ihn überreicht.
Mit einem Sonderpreis wurde Team D-Turnerin Sarah Voss ausgezeichnet. Bei der Europameisterschaft in Basel 2021 trat sie als erste Athletin in einem Ganzkörperanzug an und setzte damit ein starkes Zeichen für Selbstbestimmung bei der Wahl ihrer Wettkampfkleidung und damit auch gegen Sexualisierung im Sport. Das Turn-Team Deutschland hatte die Anzüge gemeinsam mit der damaligen Cheftrainerin Ulla Koch entwickelt und erstmals in Basel präsentiert. Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung des DOSB, würdigte in ihrer Laudatio den mutigen Schritt von Voss und verwies auf den Anstoß einer weltweiten Debatte in den klassischen und sozialen Medien zu dem Thema durch die deutschen Sportlerinnen.
Für den Fair Play Preis 2022 können noch bis Ende des Jahres Vorschläge und Nominierungen eingereicht werden.
Weitere Informationen finden Sie unter: https://fairplay.dosb.de/