Agenda 2020: 40 Reformvorschläge für die IOC-Vollversammlung
Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hat am 18. November 2014 die 40 Reformvorschläge seiner Agenda 2020 veröffentlicht. Das Paket an Empfehlungen, im Oktober von der IOC-Exekutive zusammengefasst und in dieser Woche an die IOC-Mitglieder verschickt, soll die Grundlage für die künftige Entwicklung der Olympischen Bewegung sein. Die 127. Vollversammlung des IOC wird am 8. und 9. Dezember in Monaco über diese Vorschläge beraten und das weitere Vorgehen beschließen.
Zur Veröffentlichung im Olympischen Museum in Lausanne nannte Bach die "20 plus 20" Vorschläge den "Höhepunkt eines Jahres voller offener, transparenter und vielfältiger Diskussionen", die schon Mitte 2013 begonnen hätten. "Diese 40 Vorschläge sind wie die Stücke eines Puzzles", sagte er. "Wenn man sie zusammenfügt, entsteht das Bild des IOC, das die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele sichert und schützt und den Sport in der Gesellschaft stärkt."
Der IOC-Präsident präsentierte die Vorschläge zunächst einer Runde von Athlet*innen, darunter auch IOC-Athletensprecherin Claudia Bokel und Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, von denen viele selbst aktiv zum Prozess "Olympische Agenda 2020" beigetragen hatten.
Die wichtigsten Vorschläge betreffen die folgenden Themen:
- Veränderungen im Ablauf der Olympiabewerbungen (Vorschlag 1) mit einem neuen Leitbild: Danach sollen mögliche Kandidatenstädte eingeladen werden, ein Projekt zu präsentieren, das langfristig zu ihren eigenen sportlichen, wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Planungen passt. Dabei sollen interessierte Städte eingehend über die Möglichkeiten und Vorteile einer solchen veränderten Kandidatur beraten werden, insbesondere in Bezug auf langfristigen Nutzen und Nachhaltigkeit. Dabei soll es künftig auch möglich sein, Sportarten und Wettbewerbe außerhalb der Stadt oder sogar den Gastgeberlandes auszutragen, wobei der Zusammenhalt des Olympischen Dorfes beachtet werden soll.
- Reduzierung der Kosten einer Bewerbung (Vorschlag 3): Zum einen soll die Anzahl der erlaubten Präsentationen der Kandidaten verringert werden, zum anderen will sich das IOC spürbar an den Kosten beteiligen. Gleichzeitig soll stets die Nachhaltigkeit einer Bewerbung beachtet werden.
- Nicht die Zahl der Sportarten, sondern der Wettbewerbe soll das Olympische Programm prägen (Vorschlag 10). Die Anzahl der akkreditierten Athleten, Trainer und Betreuer soll ebenso begrenzt bleiben wie die Anzahl von 310 Wettbewerben im Sommer und 100 im Winter, um die Spiele nicht weiter wachsen zu lassen. Gleichzeitig soll es unter Beachtung dieser Grenzen möglich werden, mehr als 28 Sportarten ins Programm aufzunehmen.
- Stärkung der sechsten Grundregel des Olympismus (Vorschlag 14): Das IOC soll die Nicht-Diskriminierung der sexuellen Orientierung ausdrücklich festschreiben.
- Start eines Olympischen Fernseh-Kanals (Vorschlag 19): Damit soll eine weltweite Plattform mit zeitgemäßer Technik geschaffen werden, um Sport und Athleten auch außerhalb Olympischer Spiele an 365 Tagen im Jahr zu präsentieren. Es soll zugleich die Möglichkeit bieten, die olympischen Werte und die vielen kulturellen und humanitären Projekte des IOC zu beleuchten und vor allem auch die Jugend ansprechen. Kandidatenstädte sollen sich hier ebenfalls präsentieren können.
- Anpassung und Stärkung ethischer Grundsätze und der Prinzipien guter und verantwortungsbewusster Führung (Good Governance) angesichts neuer Herausforderungen: Es gilt, die Regeltreue in Bezug auf die universellen Grundprinzipien von Good Governance zu sichern (Vorschlag 27), ebenso die Transparenz von Rechenschaftsberichten (Vorschlag 29), wobei die Finanzberichte des IOC nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) vorbereitet und geprüft werden, selbst wenn das nicht vorgeschrieben sein sollte. Ebenso soll die Unabhängigkeit der IOC-Ethik-Kommission gestärkt werden (Vorschlag 30), wobei der oder die Vorsitzende sowie die Mitglieder von der IOC-Session gewählt werden. Das IOC will darüber hinaus will das IOC die Position eines Richtlinienbeauftragten einrichten (Vorschlag 31), der IOC-Mitglieder, IOC-Mitarbeiter, Nationale Olympische Komitees und Internationale Fachverbände über die Einhaltung von Regeln berät.
Im Mittelpunkt aller 40 Vorschläge bleiben die Athleten. Der Schutz des sauberen Athleten soll weiterhin Herzstück der IOC-Philosophie sein. Die zentrale Bedeutung des "Athleten-Erlebnisses" soll zu den Auswahlkriterien für die Spiele gehören, mit keinerlei Zugeständnissen, wenn es um erstklassige Wettkampfstätten und die alles überragende Bedeutung des Olympischen Dorfes geht.
Bach: Wir müssen den Augenblick nutzen
"Über das Jahre haben mich viele Menschen gefragt, warum es diesen Wunsch nach Veränderungen gebe", sagte Bach. Schließlich, so hätten sie gesagt, seien die Olympischen Spiele, das IOC und die Olympische Bewegung sehr erfolgreich, und man sei sehr gut aufgestellt. "Ich habe geantwortet, dass wir jetzt in der Lage sind, Veränderungen selbst voranzutreiben statt getrieben zu werden", ergänzte der IOC-Präsident. "Wir müssen mit der Olympischen Agenda 2020 die Führungsrolle übernehmen. Wir haben die Möglichkeit, und wir müssen den Augenblick nutzen - jetzt ist die Zeit für Veränderungen."
Die Altersgrenze für IOC-Mitglieder soll nicht generell heraufgesetzt werden. In begrenzter Anzahl (fünf wird vorgeschlagen) soll die Mitgliedschaft einmalig um maximal fünf Jahre verlängert werden (Vorschlag 38).
Nicht vorgeschlagen wird, dass IOC-Mitglieder wieder individuell in Bewerberstädte reisen dürfen. Allerdings gibt es eine Empfehlung, nach der weitergehende Informationen und Diskussionen über Stärken, Schwächen, Risiken und Möglichkeiten der Kandidaten möglich sein sollen (Vorschlag 2). Die 40 Vorschläge hatte die IOC-Exekutive im Oktober verabschiedet. Zuvor hatten die Vorsitzenden der 14 Arbeitsgruppen, die ihrerseits seit dem Frühjahr tausende von Vorschlägen thematisch bearbeitet hatten, ihre Ergebnisse vorgetragen. In diese Arbeitsgruppen hatte Bach neben Mitgliedern der Olympischen Bewegung wie NOKs, Fachverbände, TOP-Sponsoren und Athleten auch Experten der Zivilgesellschaft eingeladen. Dazu zählten die Vereinten Nationen, Google, YouTube, Transparency International, die Clinton-Stiftung, das Victoria and Albert Museum in London und die Weltbank.
Das bisherige Ergebnis der Olympischen Agenda 2020 dokumentiere auch das starke Interesse, das die gesamte Olympische Bewegung gezeigt habe, erklärte das IOC. So hätte es beispielsweise auf der 126, IOC-Session in Sotschi insgesamt 211 Wortmeldungen von IOC-Mitgliedern gegeben.
Die Vorschläge wurden auch in den IOC-Kommissionen und auf zwei Olympischen Gipfeltreffen diskutiert. Dabei kamen die Präsidenten der wichtigsten Interessensgruppen der Olympischen Bewegung zusammen.
IOC-Präsident Bach hatte den umfassenden und transparenten Reformprozess seiner Olympischen Agenda 2020 vor mehr als einem Jahr initiiert. Nach seinem öffentlichen Aufruf, sich daran zu beteiligen, sammelte das IOC mehr als 40.000 Wortmeldungen aus aller Welt, die sich schließlich in 1200 konkrete Ideen bündeln ließen.
(DOSB)