„Ohne Partizipation der Bevölkerung keine erfolgreiche Olympiabewerbung“

von Hans-Jürgen Schulke*

„Sport und Stadtentwicklung“ hieß das Thema. Und natürlich stand damit auch die gescheiterte Olympiabewerbung im Mittelpunkt des 16. Kongresses für Sport, Ökonomie und Medien, der in der vorigen Woche erstmals in der HafenCity Universität statt – pikanterweise vis à vis dem für 2024 geplanten Olympiagelände. Eine der wesentlichen Erkenntnisse des Kongresses: Ohne intensive Beteiligung der Bevölkerung wird es keine erfolgreiche Olympiabewerbung mehr geben.

Die Veranstung wurde von der Hochschule Macromedia in Kooperation mit dem Hochschulsport Hamburg organisiert. Wie immer bezog sich das Thema auf Sportgroßveranstaltungen. Schirmherr der Veranstaltung mit 32 nationalen und internationalen Referenten aus Wissenschaft, Politik, Sportverbänden und Agenturen war Hamburgs Sportsenator Andy Grote. Er setzte mit seinem Hauptreferat ein Zeichen für die Zukunft des Sports in der Hansestadt. „Das gescheiterte Olympia-Referendum war eine Zäsur, aber Sport ist weiter ein zentrales Thema der Stadt.“ Er zeigte die Eckpunkte des neuen „Active City“-Konzepts des Hamburger Senats auf. Es soll bis 2024 umgesetzt werden, insgesamt sind 26 Vorhaben und 6 Empfehlungen geplant.

Bewährte und neue Sportgroßveranstaltungen sollen für Sport wie Stadtentwicklung katalysatorische Wirkung haben. Sportveranstaltungen und Stadtentwicklung wurden insbesondere von den Wissenschaftlern aus Architektur, Stadtentwicklung, Ökologie und Raumforschung als interdependent mit kritischem Potenzial und Steuerungsbedarf gesehen. Sie bestätigten die Diskussionen, die seit Jahren im DOSB und der DVS geführt oder in der Agenda 2020 des IOC aufgenommen werden. Ökonomieprofessor und Olympiasieger Wolfang Maennig warnte angesichts zahlreicher Ablehnungen von Olympiabewerbungen in Referenden vor einer Überbetonung der Stadtentwicklung und finanzieller Gewinne für die Stadt. Seine These: „Olympische Spiele in Deutschland werden funktionieren, wenn die sportliche Kernidee einer Austragung langsam und von unten in der ganzen Bevölkerung wächst“. Ein von anderen Referenten bestätigter Zusammenhang: Je näher Menschen an Stadien geplanter Spiele wohnten, desto negativer fiel die Abstimmung aus, auch wenn grundsätzlich Interesse an Olympia im eigenen Land bestand (der sogenannte Nimby-Effekt). Ein Vermittlungsproblem also für die Bewerber.

Damit war ein naheliegendes wie aktuelles Thema Mittelpunkt – die Hamburger Olympiabewerbung (wobei die Rolle von Bewerberstädten bei sportlichen Großereignissen, Fußball-WM in Russland, Universiaden und Behindertensportspiele einen breiten Referenzrahmen bildeten). „Partizipation“ wurde als Schlüsselkategorie von Stadtplanern, Umweltpsychologen, Sport- und Kommunikationswissenschaftlern identifiziert, ausgeleuchtet, veranschaulicht und an Beispielen geprüft. Offensichtlich wird die dialogische Partizipation konsequenter und langfristiger sein müssen, wenn Olympiabewerbungen erfolgreich werden sollen. In einem feinsinnigen Beitrag differenzierte der international renommierte Soziologe Karl-Dieter Opp die Fragestellungen an die Bevölkerung auf, andere vermissten ein schlüssiges Kampagnenkonzept oder das ernsthafte Prüfen kontroverser Argumente. Rückblickend bleibt die Frage, warum nicht gerade nach dem Scheitern von München die breite Expertise zur Partizipation bei Großprojekten aus der Region und bundesweit herangezogen wurde. Das blieb Agenturen und Behörden vorbehalten.

Bemerkenswerterweise wurde die Rolle einer skandalisierenden Presse – gerade auch vor den Spielen in Rio – und die Fundamentalkritik an Olympia und IOC wenig angesprochen. Das galt auch für das differenzierte Abschlussreferat von Sylvia Schenk, die den Bogen von Salt Lake City über Rio bis zur EM-Bewerbung Deutschlands durch den DFB spannte. Klar benannte sie Pro-bleme wie Korruption oder Doping, welche zum derzeit schlechten Image des Spitzensports füh-ren, erklärte aber, dass der Sport die Instrumente habe, sein Image zu verändern. „Wir müssen uns von der Illusion lösen, dass im Sport alles gut ist. Das war es früher auch nicht, doch jetzt haben wir die Möglichkeiten, Missstände aufzudecken. Das ist ein Fortschritt“, sagte Schenk. Zur deutschen Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft 2024 forderte sie: „Es muss eine transparente Bewerbung jeder möglichen Teilnehmerstadt geben. Die Auswahlkriterien des DFB müssen ebenfalls transparent sein. Die Bewerbung ist eine Chance, aber auch Verpflichtung.“ Schenk verwies darauf, dass an den Problemen aktiv gearbeitet werde, auch bei der FIFA. „Über Sport-Großveranstaltungen haben wir die Möglichkeit, Botschaften zu überbringen“.

*der Autor ist Professor für Sport- und Eventmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg